Im nördlichen Waldviertel, rund um den Herrensee, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, fällt heuer der Startschuss für ein ungewohnt neues Festivalformat. Erdacht wurde es vom Produzenten und Regisseur (Herrenseetheater, Festspiele Stockerau, …) sowie Initiator des seit Jahren ebenfalls in der Region erfolgreich über die Bühne gehenden „Schrammel.Klang.Festival“, Zeno Stanek. Während man beim Schrammel.Klang allerdings mit einem an einem Tag komprimierten Programm aufwartet nimmt man sich für die Theatertage vermehrt Zeit.
Zehn Tage galt es für das Team rund um Stanek (darunter unter anderem Margit Mezgolich, die in der Vergangenheit auch bereits für Herrenseetheater-Sommer-Produktionen verantwortlich zeichnete, und Ernst Molden, der für die abendliche Singer-Songwriter-Schiene zuständig ist) mit Programm zu füllen. Geschöpft wurde sowohl aus Stücken, die das Team auf diversen österreichischen Bühnen über das Jahr begeisterten – vom Berliner Gastspiel „Fräulein Brehms Tierleben“ von Barbara Geiger über „Mehltau“ des Wiener Künstlerkollektivs „Playground“ bis hin zu Daniel Kehlmanns „Stille Nacht“, inszeniert von „neuebuehnevillach“ – als auch aus 50 Stücken, die von deutschen Theaterverlagen für das Festival empfohlenen wurden. Zwölf haben die Kuratoren ausgewählt und die Autoren gebeten sie in szenischen Lesungen dem Publikum näher zu bringen.

Von düsteren Zukunftsszenarien und Schnitzler

Neben „Paulas Kampf“ von Isa Hochgerner (gelesen von der Stimme der Wiener Linien, Angela Schneider) und „Kluge Gefühle“ von Maryam Zaree – ein Stück über Asyl, Anpassung und Vergangenheitsbewältigung – fiel die Wahl unter anderem auch auf „Der Chinese“ von Benjamin Lauterbach. Laut Stanek eine „groteske Auseinandersetzung mit einerseits Migration und andererseits Abschottung aus Angst vor dem Fremden“. Lauterbach treibt in seinem Stück auf die Spitze, was geschieht, wenn die Gesellschaft sich von allem was als schlecht betrachtet wird – vom Digitalem über die Pharmaindustrie – abwendet. Mit eher düsteren Zukunftsszenarien wartet auch Bernhard Studlar in „Nacht ohne Sterne“ auf. Den Themen Beziehung und Sex widmet sich hingegen Florence Read in „Fell“. Gestaltet werden die Lesungen unter anderen von Studierenden der Abschlussjahrgänge des Max Reinhardt-Seminars. Aber auch die Autorinnen und Autoren stehen im Anschluss für Fragen aus dem Publikum zur Verfügung.

Ein Konzept, das sich wie ein roter Faden durch das Programm zieht. „Die Nähe zwischen Künstlern und Publikum ist bei uns eine sehr große“, betont Stanek. Interessierte haben unter anderem die Gelegenheit im Rahmen von sogenannten Küchenlesungen in diversen Eigenheimen der Litschauer Bevölkerung die Lieblingsstücke bekannter Schauspielerinnen und Schauspieler wie Katharina Stemberger und Joesi Prokopetz (die Palette reicht von Horvath bis Schnitzler) nicht nur rezitiert, sondern zudem mit persönlichen Geschichten versehen zu Gehör zu bekommen.

Hörspiele an ungewöhnlichen Orten

Ungewöhnliches erwartet die theateraffinen Waldviertel-Pilger sowie Neugierige aus Litschau und Umgebung aber auch in der Reihe „Hörspiele“. Auf dem Spielplan befinden sich sechs Hörspiele, die an ungewöhnlichen Locations durch den Äther erklingen werden. Von „March Movie“ (geschrieben und gelesen von unter anderem Michael Köhlmeier und Peter Klein), das des nächtens mitten im Wald für Stimmung sorgen wird, über „Rafael Sanchez erzählt Spiel mir das Lied vom Tod“, dargeboten in einem alten Kino, bis hin zu „Outside Inn“, welches in einer alten Industrie-Garage erklingt.

Und für alle, die bei so viel geballter Wortkunst Lust bekommen haben, selbst kreativ tätig zu werden, bietet sich die Gelegenheit sich im einen oder anderen Workshop – vom Stücke schreiben übers Impro-Theaterspielen (mit dem Experten für Improvisationstheater Jim Libby) bis hin zur richtigen Atemtechnik – ausbilden zu lassen.

Last but not least wartet der Künstler Lenz mit einem besonderen Projekt auf. So kann, jeder, jede, der, die Lust hat, die von ihm vorgezeichnete Kakapos in einen Dialog treten lassen. Die Texte werden im Rahmen des Festivals ausgestellt.
Ziel der Theatertage ist es, neben Unterhaltung, die emotional berühren soll, auch spontan Dinge entstehen zu lassen, erläutert Stanek. Ein Festival, nicht zuletzt, als Nährboden der Kreativität. Die Kulturfüchsin wünscht schon mal Hals und Beinbruch. Und wer weiß, welche neuen Ideen zwischen dem Jahrtausenden alten Gestein und den über den Waldboden verteilten Steinpilzen noch sprießen und sich verfestigen werden.

Hin & Weg
Tage für zeitgenössische Theaterunterhaltung
10. bis 19. August 2018
An diversen Orten in Litschau und Umgebung
www.hinundweg.jetzt

Geschrieben von Sandra Schäfer